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Antrag / Anfrage / Rede

Bebauungsplan für den Bereich Ingelheimer Aue

Antrag zur Stadtratssitzung am 18.06.2008

Der Stadtrat möge beschließen:

 

1.) Der Stadtrat der Stadt Mainz beschließt gem. § 2 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) die Aufstellung eines Bebauungsplans „Ingelheimer Aue“ im Bereich der Kraftwerksstandorte der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW) auf der Ingelheimer Aue.

2.) Der Geltungsbereich des Bebauungsplans umfasst die Grundstücke in der Gemarkung Mombach, Flur 13, gem. Anlage.

3.) Ziel der Planung ist die Neuordnung der Grundstücke im Bereich der für die Verkehrserschließung künftig nicht mehr benötigten Gassnerallee und die Lösung der sich aus der Nutzung des Bereichs ergebenden städtebaulichen Konflikte. Darüber hinaus sollen im Bebauungsplan die Gebäudehöhen und die Baumassen der Gebäude festgesetzt werden. Heute vorhandene Gebäudehöhen sollen nicht überschritten werden. Ferner soll der Bebauungsplan den im Flächennutzungsplan dargestellten vorgesehenen geschützten Landschaftsbestandteil entlang des Rheinufers entwickeln.

4.) Für den Bebauungsplan ist gem. § 2 Abs. 4 BauGB eine Umweltprüfung durchzuführen. Die Begründung ist um einen Umweltbericht gem. § 2a BauGB zu ergänzen.

5.) Es wird eine entsprechende Veränderungssperre für das Plangebiet gemäß § 14 BauGB als Satzung beschlossen.

 

Begründung:

 

Im Rahmen des Erörterungstermins zum Genehmigungsverfahren für das geplante Kohleheizkraftwerk (KHKW) der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW) sind neue Erkenntnisse zu Tage getreten, die eine Neubewertung der bauplanungsrechtlichen Sachlage erforderlich machen.

 

1.) Das Vorhaben der KMW löst zahlreiche städtebauliche Konflikte aus, die nach § 1 Abs. 3 BauGB die Aufstellung eines Bebauungsplanes zwingend erforderlich machen. Dabei handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung der städtischen Gremien oder des Stadtvorstandes. Vielmehr sieht der Bundesgesetzgeber unbedingt vor, Bauleitpläne aufzustellen, sobald dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dieser Sachverhalt trifft hier offensichtlich zu, wie die zahlreichen Einwendungen der Bürgerinnen und Bürger sowie die zahlreich vorgetragenen Argumente der Experten im Erörterungstermin belegen. Städtebauliche Konflikte bestehen demnach offensichtlich bei folgenden städtebaulichen Belangen, die nach § 1 Abs. 6 BauGB im Rahmen der Bauleitplanung insbesondere zu berücksichtigen sind:

 

a.) Die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse werden nach den Aussagen zahlreicher Mediziner durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt. So sind zahlreiche Neuerkrankungen sowie bedrohliche Verschlechterungen des Gesundheitszustandes bei bestehenden Vorerkrankungen zu befürchten.

b.) Die Erhaltung, Fortentwicklung und der Umbau vorhandener Ortsteile, hier insbesondere der Mainzer Neustadt und des Stadtteils Mombach, werden durch die vom Vorhaben ausgehende und weithin sichtbare Industrialisierung der Stadtlandschaft in erheblichem Maß beeinträchtigt.

c.) Die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes werden nicht nur in Mainz, sondern auch in der Landeshauptstadt Wiesbaden und hier insbesondere in der Umgebung des Schlosses Biebrich in erheblichem Maß beeinträchtigt.

d.) Die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, werden erheblich beeinträchtigt. Hier sind auf Grund der im Erörterungstermin vorgetragenen Einwände insbesondere die folgenden Punkte zu nennen:

· die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,

· die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,

· umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,

· umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,

· die Vermeidung von Emissionen,

· die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,

· die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts (hier insbesondere der Luftreinhalteplan),

· die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes.

 

2.) Das Vorhaben hat offensichtlich städtebauliche Auswirkungen, die weit über die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB hinausgehen. Insbesondere durch die im Rahmen des Erörterungstermins vorgetragenen Einwände der Landeshauptstadt Wiesbaden ist deutlich geworden, dass das Vorhaben den Charakter von bestehenden und bereits in Planung befindlichen Baugebieten, die gerade auch der städtebaulichen Aufwertung der Rheinuferbereiche dienen, entgegen steht. Das Vorhaben beeinträchtigt durch die weit reichende Industrialisierung der Stadtlandschaft den Gebietscharakter der bestehenden und geplanten Wohngebiete entlang des Rheins und die Erholungsfunktion der in der Entwicklung befindlichen ufernahen Grünflächen. Eine Beurteilung dieser überörtlichen Auswirkungen des Vorhabens auf der Grundlage des § 34 BauGB ist nicht möglich. Hierzu ist nach § 1 Abs. 3 BauGB die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich, bei dem die Planungen benachbarter Gemeinden nach § 2 Abs. 2 BauGB aufeinander abzustimmen sind.

 

3.) Die Erörterung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens hat deutlich gemacht, dass das Vorhaben sich entgegen der Vorlage der Stadtverwaltung, die in der Sitzung des Bauausschusses am 17.02.2008 beschlossen wurde, nicht gem. § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfügt.

a.) Das Vorhaben widerspricht der Art der baulichen Nutzung der näheren Umgebung. Dies wird geprägt durch Kraftwerke der örtlichen Versorgung mit Energie durch den Energieträger Gas. Vorliegend soll aber ein Kohleheizkraftwerk größerer Dimension errichtet werden, das auf Grund seiner Kapazität zur überörtlichen Versorgung geeignet ist.

b.) Die Art der baulichen Nutzung entspricht keinem Baugebiet der Baunutzungsverordnung (BauNVO), da es sich entgegen der Auffassung der Verwaltung nicht um ein Industriegebiet, sondern gemäß dem rechtswirksamen Flächennutzungsplan um eine Fläche für Versorgungsanlagen handelt.

c.) Das Maß der baulichen Nutzung fügt sich hinsichtlich mehrerer Kriterien nicht in die nähere Umgebung ein. So blieben in der Verwaltungsvorlage insbesondere die enorme Baumasse des Kesselhauses, des Kühlturmes und der Kohlelager sowie die extrem hohe Leistungsfähigkeit der Anlage unberücksichtigt. Beides führt zu zahlreichen ungelösten städtebaulichen Konflikten.

d.) Das Ortsbild insbesondere des Stadtteils Mombach wird durch die Industrialisierung in erheblichem Maß beeinträchtigt. Dies wurde im Erörterungstermin durch Fotomontagen von Einwendern eindrücklich belegt.

e.) Die von zahlreichen Medizinern vorgetragenen Einwendungen und Ausführungen zu den zu erwartenden Gesundheitsbeeinträchtigungen machen deutlich, dass durch das Vorhaben die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse erheblich beeinträchtigt werden.

f.) Dem Vorhaben stehen öffentliche Belange entgegen. Hier sind insbesondere die Darstellungen des rechtwirksamen Flächennutzungsplans der Stadt Mainz zu nennen, der entlang des Rheinufers einen geplanten geschützten Landschaftsbestandteil darstellt.

 

4.) Fazit: Der Beschluss des Bauausschusses vom 17.02.2008, das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen, basierte auf falschen Annahmen. Das Vorhaben fügt sich nicht nach § 34 BauGB in die nähere Umgebung ein. Vielmehr werden durch das Vorhaben städtebauliche Konflikte ausgelöst, die nach § 1 Abs. 3 BauGB nur durch die Aufstellung eines Bebauungsplans gelöst werden können. Die vom Bundesgesetzgeber in § 1 Abs. 7 BauGB geforderte gerechte Abwägung aller in die Beurteilung des Vorhabens einzustellenden Belange kann nur nach Durchführung der gesetzlichen Beteiligungsverfahren nach den §§ 2 ff. BauGB erfolgen. Insofern ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich.

 

Dr. Claudius Moseler,

Fraktionsvorsitzender ödp/Freie Wähler

 

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