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Antrag / Anfrage / Rede

Neues INKEK-Gutachten Ostfeld: Auswirkungen auf Mainz

Anfrage zur Stadtratssitzung am 29.11.2023

Antwort der Verwaltung

In der Gemarkung Ostfeld in Wiesbaden wird ein Stadtteil in dichter Blockbebauung für max. 12.000 Menschen geplant. Dieses Wohngebiet wird durch Gewerbebauten umrahmt und im Norden durch einen BKA Komplex für ca. 9.000 Mitarbeiter ergänzt.

Abgesehen von den Herausforderungen an die verkehrliche Anbindung auch für Mainz und den Druck auf den Wohnungsmarkt durch die BKA-Mitarbeiter stellen sich auch grundlegende Fragen zu den klimatischen Auswirkungen der Bebauung.

Das Ostfeld ist das größte Kaltluftentstehungsgebiet Wiesbadens. Wie in KlimPrax (DWD Bericht Nr. 249 „Klimaanpassung in der Praxis“) gezeigt wurde, versorgt es besonders in der ersten Nachthälfte die Stadtteile, die am Rhein liegen bis in die Mainzer Innenstadt mit kalter Luft. Zusätzlich leitet es große Kaltluftströme, die von den Taunushängen kommen, weiter.

In Zeiten der sich stark beschleunigenden Klimaerwärmung wird die Versorgung mit Kaltluft besonders in der ersten Nachthälfte immer lebenswichtiger, um die Wohnungen der Stadtbewohner, die versiegelten Innenstädte, abzukühlen und auch in den Tropennächten (= Nachttemperatur mehr als 20 Grad) eine erträgliche Nachtruhe zu ermöglichen.

In der Stellungnahme der Stadt Mainz zum Zielabweichungsverfahren der Landeshauptstadt Wiesbaden hat das Umweltamt in Zusammenarbeit mit dem HLNUG die Kaltluftströme aus dem untersuchten Bereich anhand der Trajektorien bildhaft dargestellt – siehe Anhang.

In dem neuen, erst vor wenigen Wochen vorgelegten, Gutachten der Fa. INKEK werden nun die Kaltluftströme mit einer angenommenen Bebauung simuliert (vgl.: Stadtklimatische Untersuchung Ostfeld Wiesbaden Durchlüftung und Kaltluftsystem im Auftrag der Stadt Wiesbaden). Das Gutachten kommt zu dem Schluss: „Negative Auswirkungen auf Gebiete der Landeshauptstadt Mainz sind nicht zu erwarten.“

Wir bitten um eine wissenschaftliche Würdigung der Ergebnisse, die für die Mainzer Neustadt und Altstadt relevant sein können, und fragen daher an:

1.    Mit welchen Temperaturabweichungen gegenüber dem derzeitigen Ist-Zustand müssen wir unter der progressiven Klimaerwärmung und dem Fehlen der Kaltluft vom Ostfeld in der ersten Nachthälfte in den Stadtteilen am Rhein und der Mainzer Innenstadt rechnen?
Die gebildete Kaltluft aus dem Ostfeld und Umgebung kommt talabwärts zeitverzögert an (INKEK S. 85). Wenn die Hitze in den Wohnungen in Mainz am stärksten ist, nämlich ca. um Mitternacht, wird zukünftig die kühle Luft vom Ostfeld fehlen. Ein aktuelles Gutachten von Ökoplana führt Nachttemperaturen in der Mainzer Innenstadt von 26 Grad in den Sommermonaten an (ÖKOPLANA KLIMAÖKOLOGISCHE STELLUNGNAHME ZUM
INNOVATIONSPARK MAINZ LAB 02 IN DER LANDESHAUPTSTADT MAINZ S. 11)

2.    Wie kann der Rhein zwischen Mainz und Wiesbaden im Sommer eine kühlende Funktion übernehmen, wenn das rheinland-pfälzische Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität in den Sommermonaten an der Messstation Mainz-Wiesbaden schon jetzt regelmäßig Wassertemperaturen zwischen 20 und teils mehr als 25 °C misst ( Vgl.: wasser.rlp-umwelt.de/servlet/is/1250/, Messstation Mainz/Wiesbaden – August 2022: 27 ° C)?


Die von INKEK simulierte Ostfeld-Bebauung reduziert die Kaltluftströme in weiten Teilen um bis zu 50 % (vgl. INKEK Gutachten S. 87). Als Kompensation wird die Kaltluftbildung entlang des Rheins angeführt:
„Laut der synthetischen Klimafunktionskarte der LHW (2009) bildet sich am Rhein eine Luftleitbahn mit lokaler und regionaler Bedeutung aus, die als Gewässerklima durch Wechselwirkungen zu den benachbarten Klimaräumen zirkulationsfördernd wirkt. Dieses Phänomen kann aus modelltechnischen Gründen nicht in einer Detailbetrachtung ausreichend abgebildet werden“(vgl. INKEK S. 90)

3.    Sind die im INKEK-Gutachten vorgelegten Berechnungen zu den Folgen der Bebauung für Luftströme in 2 und 10 Meter über Grund (vgl. INKEK S. 54 ff.) ausreichend angesichts der Tatsache, dass der DWD in seiner KlimPrax-Untersuchung für die Kaltluftversorgung der am Rhein liegenden Mainzer Stadtteile die Luftströme in größeren Höhen als relevant eingestuft hat?
Vgl. KlimPrax S. 63:
„Für die lokale Belüftung wird nur der [Kaltluftabfluss] bis etwa 10 m über Dachniveau eine Rolle spielen. Für weiter talabwärts gelegene Ortsteile oder z.B. den Transport von Schadstoffen ist auch die Stärke der Strömung in größeren Höhen relevant.“

4.    Welche Bedeutung hat die Temperatur der ermittelten Luftströme? Wenn sich diese bspw. entlang der geplanten Hochbauten im Ostfeld erwärmen, könnten sie dann ihre kühlende Wirkung für die Stadtteile am Rhein und Teile der Innenstadt verlieren?
Das von INKEK verwendete Analysetool KLAM21 kann diesen Aspekt der erwärmten Luftströme im Gegensatz zu dem Instrumentarium, das in KlimPrax verwendet wurde, nicht abbilden (vgl. INKEK S. 17). Der DWD hingegen verwendet das Instrumentarium CAFCA. Es errechnet zuerst die mittlere Temperatur der Luftströme und klassifiziert sie dann – je nach Ergebnis – als Kaltluftstrom (vgl. KlimPrax Bericht Nr. 249 DWD S. 63).

5.    Wir fordern Sie auf, die hohen Luftströmungen in 30 bis 50 Metern über dem Boden bei den Berechnungen mit einzubeziehen, da diese für die Kaltluftversorgung der Mainzer Innenstadt relevant sind. Werden Sie diese Ergebnisse sowie die möglichen Auswirkungen auf die Mainzer Altstadt und Neustadt veröffentlichen? Wie viele Menschen würden daher nach Ihren Berechnungen direkt von der Beeinträchtigung der Kaltluftströme im Mainzer Stadtgebiet betroffen sein?

Dr. Claudius Moseler
Fraktionsvorsitzender

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