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Antrag / Anfrage / Rede

Freihandelsabkommen TTIP stoppen – Kommunale Daseinsvorsorge schützen

Antrag zur Stadtratssitzung am 03.12.2014

Der Stadtrat möge beschließen:

1. Bei den derzeit verhandelten „Freihandelsabkommen“ TTIP, CETA und TiSA handelt es sich um eine „neue Generation“ von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten Politikern und Parlamenten, hin zu multinationalen Konzernen. Diese Art von Verträgen stellt einen massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale Selbstverwaltung dar. Der Stadtrat von Mainz lehnt TTIP, CETA und TiSA in der derzeit bekannten Form ab.

2. Der Oberbürgermeister wird gebeten, sich im Rheinland-Pfälzischen und Deutschen Städtetag und anderen kommunalen Spitzengremien gegen die geplanten Abkommen zu positionieren und entsprechend, sowohl bei der Bundesregierung, als auch bei der EU-Kommission, zu intervenieren.

3. Der Beschluss des Deutschen Städtetages vom 12.02.2014 zu den Freihandelsabkommen wird den Stadträtinnen und -räten zur Kenntnis gebracht.

Begründung:

Es gibt verschiedene Aspekte, von denen wir als Kommune direkt betroffen wären:

1. Demokratie und Transparenz Unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit finden derzeit zwischen der EU und den USA Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) statt. Während nicht einmal die EU-Abgeordneten uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten haben, können 600 Vertreter von Großkonzernen unmittelbaren Einfluss nehmen. Und obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Gemeindetag sowie Landkreistag) nicht in die Verhandlungen eingebunden. Das entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie.

Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.

Daher fordern wir für die kommunalen Spitzenverbände einen vollständigen Einblick in alle Verhandlungsdokumente sowie die Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände in die Verhandlungen. Dies gilt für TTIP, CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement zwischen Europa und Kanada) und TiSA (Trade in Services Agreement).

2. Investitionsschutz für Konzerne Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht gegen demokratisch beschlossene Gesetze. Zwischen Staaten mit funktionierendem Rechtssystem ist eine Investitionsschutzklausel überflüssig. Vielmehr stellen „private Schiedsgerichte“ ein Parallelrechtssystem dar, das grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als demokratisch gewählte Regierungen.

Da sogar die Beschlüsse von Städten und Gemeinden Anlass für solche Klagen sein können, würde dies dazu führen, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam bei jeder unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartungen eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage gegen den Staat nach sich ziehen könnten. Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Investor-Staat-Klagen sprunghaft angestiegen ist, stellen wir die Frage, wie viele solcher Klagen sich ein Staat oder eine Stadt leisten kann? Wer bezahlt? Der Bund oder die Stadt?

Einen solchen Eingriff in unsere kommunale Entscheidungshoheit lehnen wir entschieden ab.

3. Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen, Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung

Kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Wasser- und Abwasserversorgung, Energie):
Da bei diesen Arten von Handelsabkommen typischer Weise die Regeln zum grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und der Schutz ausländischer Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie sich negativ auf die Organisationshoheit unserer Stadt/unserer Gemeinde/unseres Landkreises und unsere Handlungsautonomie auswirken.

Öffentliches Beschaffungswesen:
TTIP, CETA und TiSA würden unsere kommunale Organisationsautonomie gefährden. Unsere mittelständischen Unternehmen dürften nicht mehr bevorzugt werden. Dadurch käme es zu einer Minderung der Gewerbesteuereinnahmen und einer Schwächung der lokalen Unternehmen.

Dienstleistungssektor (Bauwesen, Transportwesen, Gesundheit, soziale Dienstleistungen…):
Immer mehr Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors werden zum „allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ deklariert. Dadurch werden die Gebietskörperschaften gezwungen, diese gemäß einer „Marktzugangsverpflichtung“ im Wettbewerbsverfahren auszuschreiben. Das Gemeinwohl muss in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen.

Kommunale Selbstverwaltung:
Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet die Bundesregierung mit den Verträgen diesen Gesetzesübertritt und befördert ihn sogar noch.

4. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-, wie auch die Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder aufgehoben werden darf. Die Ratchetklausel besagt, dass ein staatliches Unternehmen, wie etwa das Wasserwerk, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder rekommunalisiert werden darf. Solche „Endgültigkeitsklauseln“ lehnen wir als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ab.

Mehrere deutsche Kommunen und Kreistage haben bereits Resolutionen und Moratorien erarbeitet. Darunter Bremen, Erkrath, Freiburg, Fürstenfeldbruck, Fürth, Groß-Gerau, Kassel, Main-Kinzig-Kreis, Marburg, Oldenburg, Potsdam, Weißenhorn, Hilpoltstein.

Den Beschluss des Deutschen Städtetages vom 12.02.2014 zu den Freihandelsabkommen finden Sie unter folgendem Link:

www.staedtetag.de/fachinformationen/wirtschaft/068853/



Dr. Claudius Moseler,
Fraktionsvorsitzender
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