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Antrag / Anfrage / Rede

Mehr Transparenz und Demokratie in Mainz

Antrag zur Stadtratssitzung am 14.12.2011, vertagt auf die Stadtratssitzung am 01.02.2012

Der Stadtrat möge beschließen:

Die Verwaltung wird aufgefordert nachfolgende Maßnahmen in enger Abstimmung mit Stadtrat, Fachausschüssen und den Ortsbeiräten auf den Weg zu bringen.

A) Mehr Transparenz:

1. Der Öffentliche Teil aller Stadtratssitzungen wird im Internet auf www.mainz.de live übertragen.
2. Einwohnerfragestunden werden zusätzlich zu Beginn der Stadtrats- und Ortsbeiratssitzungen angeboten. Die Geschäftsordnung wird dazu entsprechend geändert. Auch bei öffentlichen Ausschusssitzungen wird ein entsprechender Punkt grundsätzlich auf den Tagesordnungen stehen.
3. Die Stadt führt ein Gespräch mit Transparency International hinsichtlich einer entsprechenden Mitgliedschaft der Stadt Mainz und erstattet dem Stadtrat einen Ergebnisbericht über die Möglichkeiten der Korruptionsbekämpfung.

B) Mehr Demokratie:

4. Die Verwaltung legt in enger Abstimmung mit dem „Arbeitskreis Ortsbeiräte“ ein Konzept für mehr Kompetenzen der Ortsbeiräte vor.
5. Die Verwaltung stellt ein Konzept zum Kommunalen Bürgerhaushalt auf, damit sich die Mainzerinnen und Mainzer an der künftigen Ausgabenpolitik stärker beteiligen können. Dabei soll auf Erfahrungen anderer Städte zurückgegriffen werden.
6. Die Verwaltung setzt sich bei der Landesregierung dafür ein, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gemäß dem Konzept von „Mehr Demokratie“ erleichtert werden.

Begründung:

Die Stadt Mainz und die Mainzer Kommunalpolitik wurden in den letzten Jahren durch die Wohnbauaffäre und andere Skandale nachhaltig in ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das Vertrauen verloren und distanzieren sich von den handelnden Akteuren in Stadtrat und Verwaltung. Dies führt zu einer Politikverdrossenheit, die die gemeinsame Bewältigung der vergangenen Fehler deutlich erschwert. Die Aufgabe des Mainzer Stadtrats ist es nunmehr wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit herzustellen. Dazu bedarf es eines deutlich transparenteren Politikstils und einer Stärkung der direkten Demokratie.

Mehr Transparenz:

Die Live-Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet verursacht einen Kostenaufwand in Höhe von ca. 1000 bis 1500 Euro je Sitzung. Dies ist ein Betrag, den wir angesichts des Nutzens für die Mainzer Bürgerinnen und Bürger investieren sollten. Sie können so – auch wenn Sie an einem persönlichen Besuch der Ratssitzungen gehindert sind – die Entscheidungsfindung zu für sie interessante Tagesordnungspunkte einfach und ungefiltert verfolgen. Durch das Medium Internet könnten vor allem auch die jüngeren Generationen verstärkt angesprochen werden.

Die Zweiteilung der Einwohnerfragestunde wurde von unserer Fraktion bereits im vergangenen Jahr beantragt. Der Stadtrat hatte diesen Antrag in den Haupt- und Personalausschuss verwiesen, wo er leider bis heute nicht behandelt wurde. Es existiert kein Grund, diesen Punkt direkt und ohne den Umweg über den Ausschuss zu beschließen. Er ist kostenneutral und leicht umsetzbar. Bedenken, dass eine vorgezogene Einwohnerfragestunde die anschließende Antragsberatung beeinflussen könnte, sind abwegig: Eine solche Beeinflussung durch sinnvolle Fragen der Bürger ist aus unserer Sicht sogar wünschenswert. Darüber hinaus ist es realitätsfern, zu denken, dass die Entscheidungen des Stadtrates unbeeinflusst durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mainz getroffen werden. Selbstverständlich bestehen diverse Kontakte der Fraktionen zu den Mainzerinnen und Mainzern auch im Vorfeld der Ratssitzungen und zu spezifischen Antragsthemen. Dies ist gelebte Bürgernähe, die sich durch eine Zweiteilung der Einwohnerfragestunde noch deutlich intensivieren ließe.

Die politische Aufarbeitung diverser Skandale, die die Stadt Mainz in den vergangenen Jahren erschüttert haben, ist bis heute nicht erfolgt. Dabei ist es leider auch nicht so, als sei nach der Wohnbaukrise eine intensivere Achtsamkeit gegenüber möglicher Korruption gewachsen. Mainz ist hier ganz offenbar auf eine Art „Entwicklungshilfe“ angewiesen. Diese sollten wir aus eigenem Interesse aber auch als positives Zeichen an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mainz aktiv einfordern. Wir schlagen darum erneut den Weg über Transparency International vor. Ein Verhaltenskodex für die Stadtratsmitglieder, wie ihn die Ampel vor einem Jahr beantragt hat, ist dabei viel zu kurz gesprungen. Es geht hier nicht nur um den Stadtrat, sondern – wie uns die vergangenen Jahre gelehrt haben – auch um den Stadtvorstand, die städtischen und stadtnahen Gesellschaften oder die Verwaltung im engeren Sinne. Daher reicht auch die geplante Erweiterung. Unsere Stadt braucht eine ganzheitliche Aufarbeitung und Neuausrichtung – kompetente Hilfestellung hierbei kann uns Transparency International bieten.

Mehr Demokratie:

Seit Jahren fordern wir eine deutliche Stärkung der Kompetenzen der Ortsbeiräte. Der dazu gebildete interfraktionelle Arbeitskreis hat hierzu bisher keine greifbaren Ergebnisse als Beschlussvorlage in den Stadtrat einbringen können. Wie wichtig die Stärkung der Kompetenzen der Ortsbeiräte ist, wird gerade in den Bereichen Bauleitplanung, Verkehr sowie im Schul- und Kulturbereich immer wieder deutlich. Ziel muss es sein, die Ortsbeiräte im Hinblick auf Ihre Kompetenzen den Ausschüssen des Stadtrates gleich zu stellen. Dies ermöglicht eine eigenständige Realisierung von Projekten vor Ort.

Ein Kommunaler Bürgerhaushalt für Mainz trifft auf die grundsätzliche Zustimmung aller Fraktionen im Rat. Wir hatten Anfang 2010 einen entsprechenden Antrag zur schnellstmöglichen Einführung dieses wichtigen Instruments der Bürgerbeteiligung gestellt. Dieser Antrag wurde zur weiteren Beratung einstimmig in den Finanzausschuss verwiesen. Aber auch hier bleiben greifbare Ergebnisse bis heute aus. Auch die „Ampel-Koalition“ hat in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben: „Wir werden den Bürgerhaushalt weiterentwickeln, um mehr Beteiligung zu ermöglichen.“ Gleichzeitig wird diese Forderung aber wieder eingeschränkt: „Sobald ein Bürgerhaushalt mit der Einführung der Doppik vereinbar ist, soll ein Teil des öffentlichen Haushalts durch ein partizipatives Haushaltsberatungsverfahren in enger Verzahnung mit der Verwaltung aufgestellt werden.“ Wir haben bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Projekt stattdessen umgehend auf den Weg gebracht werden muss, damit es – sobald es auch mit der Doppik vereinbar ist – direkt durchstarten kann und nicht erst dann Projektvorbereitungen beginnen.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind auf kommunaler Ebene ein seltenes Mittel. Der Grund hierfür sind zu hohe Hürden und ein kompliziertes Verfahren. Erleichterungen, wie sie das Konzept von „Mehr Demokratie“ vorschlägt, könnten eine lebendige direkte Demokratie in unserer Stadt fördern. Gerade Entscheidungen mit zentraler Bedeutung für unsere Stadt könnten durch ein unmittelbares Votum der Bürgerinnen und Bürger auf eine breite Basis gestellt werden.

Dr. Claudius Moseler,
Fraktionsvorsitzender

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