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Antrag / Anfrage / Rede

Redebeitrag von ödp/Freien Wählern

Haushaltdebatte 2006

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Bürgerinnen und Bürger,

 

in den letzten Monaten konnte die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen, dass die schuldentragenden Fraktionen endlich erkannt haben, dass gespart werden muss. Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates versicherten uns in Gesprächen, dass es jetzt zur Sache geht und alle ihren Beitrag dazu leisten müssen. Die Vorlage des Haushaltsplanes der Verwaltung wurde von den schuldentragenden Fraktionen als nicht weitgehend genug zurückgewiesen. Soweit – so gut. Doch scheinbar wurden bei den Verhandlungen hinter verschlossener Tür alle guten Vorsätze vom Tisch gewischt. Erst gestern erhielten wir im Finanzausschuss ein 23seitiges Papier, was jedoch ein Einsparvolumen von nur knapp 2,3 Mio. Euro ausweist.

 

1. Was heute hier als Haushaltsbegleitantrag von CDU, SPD und FDP vorgelegt wurde, ist nicht das Papier wert, auf dem es kopiert wurde. Er beschränkt sich zu einem großen Teil auf Allgemeinplätze und ist gekennzeichnet von fehlendem Mut, Verantwortung zu übernehmen, z.B. zu sagen, wo genau man denn bitte schön 1 Mio. Euro im Gesamtpersonalbudget sparen will. Die „verzögerte Wiederbesetzung“ ist doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der das Ergebnis für 2006 schönt. Und, meine Damen und Herren, Sie setzen noch einen drauf mit der unseligen Regelung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt mit Zeitverträgen für mehr als einen Monat in die Arbeitslosigkeit zu schicken sowie danach –für die gleiche Arbeit- durch einen Trick das ohnehin schon niedrige Gehalt weiter zu senken. Dies ist unsozial und unchristlich.

 

ödp/Freie Wähler setzen in dieser Frage auf eine klare Alternative, die sich auf die politische Verantwortung des Stadtrates und das Primat der Politik stützt: Die Verwaltung wird beauftragt, das Budget für Personalkosten in den Dezernaten im Zeitraum der nächsten 10 Jahre um jährlich jeweils 2%, d.h. rund 2,2 Mio. Euro, zu senken. Dabei muss der Einsparung von Personal eine grundlegende Aufgabenkritik in den jeweiligen Ämtern vorausgehen. Die Einsparungsalternativen sollen dem Stadtrat in den Haushaltsberatungen jährlich in Form einer Beschlussvorlage zur Entscheidung vorgelegt werden.

 

Und in einer weiteren Frage wollen wir endlich Taten sehen: Dem Abbau städtischer Aufgaben folgt zwangsläufig die Neuordnung der Dezernate und Ämter. Die Einsparung eines Dezernentenpostens muss auch in Zusammenhang mit der o.a. Forderung nach einer Überprüfung städtischer Aufgaben und Dienstleistungen gesehen werden. Leider haben Sie sich dieser Prüfung vergangenes Jahr bereits verweigert.

 

2. Die Notwendigkeit des Abbaus der Altschulden von über 550 Millionen Euro ist sicherlich unumstritten in diesem Haus. Nach Meinung von CDU, SPD und FDP soll die Veräußerung des städtischen Vermögens geprüft werden. In der Presse waren dazu verschiedene Optionen zu entnehmen, beispielsweise ein Verkauf von Anteilen an der Wohnbau. Ist die Auslagerung vieler städtischer Aufgaben ohnehin schon ein Schritt, der erstens wirtschaftlich fraglich und zweitens demokratisch zweifelhaft ist, so würde der Verkauf weiterer Anteile an städtischen Gesellschaften den Einfluss von Rat und Verwaltung immer geringer werden lassen. Die schuldentragenden Fraktionen verweigern klare Worte dazu, was verkauft werden soll. Ich bin gespannt, welche potentiellen Einnahmemöglichkeiten in diesem finanziellen Bermudadreieck von Beteiligungen in der nächsten Zeit vorgestellt werden und wieder in der Schublade verschwinden.

 

ödp/Freie Wähler halten den Verkauf von Anteilen unserer wichtigsten Infrastrukturträger für problematisch. Stellvertretend möchte ich hier die vier Eigenbetriebe, Stadtwerke, Wohnbau, Altenheime und GVG nennen, die wichtige Leistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger erbringen. Schaut man sich aber den Beteiligungsbericht an, so ergibt sich hier eine Vielzahl von kleinen und großen Optionen, z.B. Verkauf des Anteils an der Rhein-Main-Donau-AG, einem ökologisch äußerst zweifelhaften Projekt. Auch stellt sich die Frage, ob die Stadt Mainz eine Sparkasse betreiben muss. Hier sollte geprüft werden, wie viel Einnahmen der Stadt eine Veräußerung brächte (Anteil der Stadt rund 3,1 Millionen Euro). Es zeugt im Übrigen nicht von besonders großem Vertrauen in die Beratungsfähigkeiten der Sparkasse Mainz, wenn sich das Finanzreferat bei Kreditaufnahmen und Geldanlagen durch die Deutsche Bank – gegen sicherlich nicht geringes Honorar – beraten lässt.

 

3. Zur Konsolidierung des Haushaltes werden laut der drei „Haushaltsparteien“ auch Einnahmeverbesserungen angestrebt. Dazu werden eine Reihe von städtebaulichen Projekten aufgelistet, bei denen wir alle gespannt sind, ob überhaupt mit entsprechenden Gewinnen von Stadtwerken und MAG zu rechnen ist und davon dann auch der städtische Haushalt profitiert. Hierzu fehlt leider eine klare Aussage und daher gewinne ich den Eindruck, dass es sich bei dieser Forderung um einen politischen Lückenfüller handelt.

 

Meine Damen und Herren, deutliche Einsparungen in Zeiten knapper Kassen fehlen hier. Es fehlt der Mut, Prestige-Projekte in spätere Haushaltsjahre zu verschieben. Ich frage Sie auch: Warum bekommen Ihre politischen Jugendorganisationen immer noch Gelder aus dem städtischen Haushalt? Dies ist eine versteckte Parteienfinanzierung auf Kosten der Mainzer Bürger. Warum fallen immer neue Kosten für die City-Meile an, die viele Bürger und wir auch für Geldverschwendung halten? Und warum verschieben wir nicht die Umgestaltung des Rheinufers in spätere Jahre – wenn auch mit schwerem Herzen? Und bei der Fritz-Hansen- bzw. Arne-Jacobsen-Bestuhlung, da bin ich mir sicher, wird man in der Bevölkerung kaum Verständnis für die bevorstehenden Ausgaben finden.

 

Auch das Staatstheater ist wieder in die Diskussion gekommen. Die FDP moniert Freikarten für Senioren. Liebe FDP, diskutieren wir doch lieber den laufenden städtischen Zuschuss von rund 10 Millionen Euro jährlich. Hier ist Handlungsbedarf angezeigt.

 

Ferner kritisieren wir, dass nun wieder einmal Einsparungen bei den Freien Trägern im Sozialbereich ins Auge gefasst werden. Wenn bei den sozialen Beratungsstellen weiter gespart wird, produziert das im Endeffekt nur höhere Folgekosten, die wiederum die Stadt tragen muss. Dies zeugt von einer Konzeptionslosigkeit insbesondere des Sozialdezernenten. So bekommt man die ständig steigenden Kosten im Sozialbereich nicht in den Griff. Ich nenne Ihnen hierzu mal ein Beispiel: Wenn 2 Sozialarbeiter es schaffen, im Jahr 4 Fälle von Heimerziehung zu verhindern, so spart die Stadt ca. 180.000 Euro. Damit haben sich diese Arbeitsplätze mehr als selbst finanziert.

 

Ein weitergehendes Problem ist, dass die Entscheidungsträger in den Ausschüssen weitgehend mit unzureichenden Daten und Informationen zur Beurteilung dieser Fragen und möglicher Sparmöglichkeiten alleine gelassen werden.

 

4. Eine Alibi-Veranstaltung ist die geplante „Anpassung“ der Grundsteuer B. Da kommt doch nicht viel dabei heraus. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die Grundsteuer B sozialverträglich erhöht werden kann. Dem Rat sind unterschiedliche Optionen für deren Erhöhung zur Entscheidung vorzulegen. Aber auch hier werden die Bälle vor der Landtagswahl flach gehalten und den Menschen nicht die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme ehrlich vermittelt. Mit so einer Flickschusterei kommt man auch in einigen Jahren nicht auf einen Grünen Zweig. Nun ja, ein Gutes hat der vorliegende Antrag: Die Sache mit der Erhöhung der Spielautomatensteuer ist in Ordnung.

 

Mehr ist Ihnen leider nicht eingefallen, um die Einnahmen zu steigern? Deshalb noch ein Vorschlag unsererseits. Wir möchten z.B. erreichen, dass die Gewerbesteuereinnahmen durch Zerlegung der anfallenden Gewerbesteuer bei ortsfremden Firmen, die in Mainz Baustellen länger als 6 Monate betreiben, erhöht werden. Mit dieser Maßnahme hat Darmstadt jährlich eine siebenstellige Einnahmenerhöhung erzielt.

 

5. Der uns gestern vorgelegte Einzelplan mit der Kürzung von Budgets und Prüfaufträgen trifft wieder einmal unsere Kinder! Sie konterkarieren damit den Landtagswahlkampf Ihrer Landesparteien. So sind an 15 Einsparvorschlägen Kürzungen für Lern- und Unterrichtsmaterial vorgesehen. Dort reichen die Mittel ohnehin nicht aus. Die Internationale Jugendarbeit soll gestrichen werden. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob die Schulklassen im Naturhistorischen Museum in Zukunft Eintritt bezahlen. Ferner soll geprüft werden, ob das Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum in Ebersheim geschlossen wird. Opfer sind ferner wieder Kultur und Soziales. Damit kein Missverständnis und keine schnelle Vorverurteilung meiner Stellungnahme aufkommt: Einige Ihrer Vorschläge sind in Ordnung. Dramatisch ist jedoch die inhaltliche Schieflage Ihrer Einsparmaßnahmen.

 

6. Nun einige grundsätzliche Bemerkungen:

a) Das Ergebnis, dass CDU, SPD und FDP heute als Ergebnis ihrer Beratungen präsentieren, macht die Verschiebung der Haushaltsdebatte auf den heutigen Tag mehr als fragwürdig. Nichts als Theaterdonner und zudem zutiefst undemokratisch, weil die Oppositionsparteien keine konkreten Änderungsvorschläge bis zum 26.01.2006 vorliegen hatten und erst gestern (31.01.2006) den konkreten Einzelplan erhielten.

b) Im Haushaltssicherungskonzept der Stadt wird offensichtlich, dass bis auf zwei Dezernenten alle anderen ihre Sparvorgaben schon jetzt nicht erreichen. Wenn der Sparwille bei den Dezernenten schon so wenig ausgeprägt ist, was dürfen denn da die Parteien sagen, denen die Dezernenten angehören?

c) Die Dezernatsprüfungsergebnisse vom Dezember 2004, welche die möglichen Wirkungen von 47 Prüfanträgen (sog. Merkator-Papier) auf den Haushaltsplan betrachteten, sind dem Stadtrat gar nicht mehr vorgelegt worden. War dies alles nur heiße Luft? Haben die Dezernate und die Verwaltung ihre Hausaufgaben gemacht? Vergangenes Jahr konnten nur bei 9 Prüfanträgen Einspareffekte aufgezeigt werden.

d) Informationen über anstehende Projekte in den einzelnen Dezernaten haben wir nicht erhalten; z.B. eine Prioritätenliste im Bereich Kinder- und jugendfreundliche Stadt, den Ausbau von Radwegen oder andere Bereiche bleiben die Geheimnisse der Dezernenten.

e) Wir mahnen daher für alle Bereiche mehr Detailinformationen an und sind gespannt, ob das Finanzdezernat die Liste der Zuschüsse an externe Institutionen weiter vervollständigt.

 

Ich fasse zusammen:

Wir halten das Vorgehen der schuldentragenden Parteien für falsch, der Verwaltung nahezu ausschließlich die Entscheidung per „Prüfanträgen“ zu überlassen, wo der Rotstift angesetzt werden soll. Eine ehrliche Aufgabenkritik, bei der auch der Stadtrat in der Verantwortung ist, gibt es nicht. Die Stadt hat ein riesiges Ausgabenproblem, im Gegensatz dazu ist das heute diskutierte Einsparvolumen lächerlich gering. Wir können nicht darauf hoffen, dass uns das Land oder der Bund unter die Arme greift. Es ist an der Zeit, ausgewogene politische Entscheidungen zu treffen. Diese ausgewogenen und ausreichenden Entscheidungen haben Sie nicht getroffen. Und: Wer sparen will, muss doch in die Zukunft investieren. Auch hier passiert das Gegenteil. Daher lehnen wir den vorgelegten Haushalt 2006 sowie den Haushaltsbegleitantrag ab.

 

Nutzen wir daher künftig die Finanzausschuss-Sitzungen, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam in diesem Jahr einen Haushaltsplan erarbeiten, der zukunftsfähig ist.

 

Dr. Claudius Moseler, Fraktionsvorsitzender ödp/Freie Wähler

 

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